Galli, Pazienza, bis zum 1. November

GROTTO
Sunah Choi
Maquette Part 1
27.06.25—30.07.25
Vernissage: 26.06.2025, 18:00—21:00

in Kooperation mit KIF – Kunst im Fenster (René Block)

Eine Ausstellung in zwei Teilen:
Part 1: 27.6-30.7.2025
Part 2: 1.8-31.8.2025 (Vernissage 31. Juli)

The Process of Becoming

Sunah Choi führt mich durch ihr Atelier. Ich bin in London, sie in Berlin: Verbunden sind wir durch das kleine leuchtende Rechteck ihres Telefons. Sie zoomt auf eine Gruppe geometrischer Holzskulpturen – die sie „Maquettes“ nennt – und an welchen sie gerade arbeitet.

Die Skulpturen unterscheiden sich in Größe, Konfiguration und Farbgebung – sie sind in einer Mischung aus leuchtenden, matten Primär- und Sekundärfarben bemalt – und voller Anspielungen auf Kunst, Design und Architektur: von Regalen, Behältern und Fenstern bis hin zu Tafelbildern, Triptychen und Grundrissen. Die Scharniere an den Kanten der Skulpturen ermöglichen es, sie zu öffnen und zu schließen – wozu Besuchende ausdrücklich eingeladen sind. Die Skulpturen wirken eindeutig rastlos, zugleich spielerisch und ernst – sie erinnern an Marcel Duchamps berühmte Beobachtung, dass das Kunstwerk erst durch die Betrachtung vollendet wird.

Obwohl Chois Arbeiten auf den ersten Blick abstrakt erscheinen, wird schnell deutlich, dass Abstraktion ein kompliziertes Konzept ist: Farben, Linien und Formen verweisen immer auf etwas, das über sie selbst hinausgeht. Der Himmel zeigt sich durch das Rechteck eines Fensters; das Regal ist eine gerade Linie, eine Stütze und zugleich eine Bühne. Wie Rosalind Krauss bemerkte: Das Raster ist nicht einfach die Anordnung von Linien, sondern es „funktioniert als Erklärung der Modernität der modernen Kunst“. (1)

Das Wort „Maquette“ bezeichnet traditionell ein Modell im Kleinformat, einen Entwurf für eine Skulptur oder ein architektonisches Design, das dazu dient, Ideen zu visualisieren und zu testen, bevor das Werk in Originalgröße entsteht. Es leitet sich vom italienischen macchietta ab, was so viel wie „Skizze“ bedeutet. Mir kommt der Gedanke, dass das, was Choi mir zeigt, eine Art Rätsel ist: Skulpturen, die – einmal ausgestellt – als abgeschlossen gelten, die in Wirklichkeit aber den Inbegriff einer Idee im Entstehungsprozess verkörpern.

Choi erwähnt die koreanische Stillleben-Tradition des Chaekgeori, was sich grob mit „Bücher und Dinge“ übersetzen lässt und vom späten 18. bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts blühte. Es existieren zahlreiche Versionen dieser Gemälde, die jeweils eine andere Anordnung verschiedenfarbiger Bücherregale zeigen. Choi sagt: „Wie man Dinge sammelt, sortiert, aufbewahrt und ordnet, sagt viel über einen selbst aus. Deshalb fand ich das Regal als Objekt spannend – es lässt sich auf viele Arten verbinden und thematisieren.“ (2) Die Künstlerin ließ sich außerdem vom italienischen Studiolo inspirieren – ein kleiner Raum, der im 15. Jahrhundert dem Studium vorbehalten war. Sie sagt, sie mag es, imaginäre Verbindungen zwischen der koreanischen und der italienischen Tradition zu schaffen. Die Moderne ist in Chois Händen eindeutig aus reichen, interkulturellen Traditionen hervorgegangen.

Choi beschreibt sich selbst als „Materie und Filter zugleich“ und sagt, sie interessiere sich für „bestimmte historische Räume, die Ideen getragen haben“. Geboren und aufgewachsen in Korea, spricht sie von sich selbst als einem „großen Behälter, in den Einflüsse aus allen Richtungen hineingeströmt sind und wieder hinausfließen. Manche haben sich am Boden abgesetzt. Andere treiben an der Oberfläche. Wieder andere sind so gut mit allem vermischt, dass ich gar nicht mehr weiß, woher sie kommen.“

In vielerlei Hinsicht sind Chois Skulpturen eine rätselhafte Auseinandersetzung mit der Idee von Grenzen – im Sinne von Ein- und Abgrenzung, von Potenzial und Widerstand gegen das Eingeschlossensein. Ihre Anspielungen auf Grundrisse werfen eine Reihe spezifischer Fragen auf: Wer darf diesen Raum betreten? Wer hat Zugang? Wer wird eingeladen zu bleiben? Was bedeutet Schutz? Die Möglichkeiten sind grenzenlos.

(1) Rosalind Krauss, „Grids“, in: The Originality of the Avant-Garde and Other Modernist Myths, Cambridge, Mass. und London 1985, S.1.

(2) Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Zitate aus den Interviews und Notizen von Jennifer Higgie mit Sunah Choi, Juni 2025.

Text von Jennifer Higgie
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Ausstellungsansichten: Eric Tschernow

→ Presse

Multicoloured rooms with hinged walls von Dominic Eichler, 30. Juli 2025
Daily Lazy
Contemporary Art Daily

Die Postkarte zur Ausstellung (1) ist online erhältlich via (1)

Verwandte Veranstaltung: Launch & Talk (Spector Books) Maquette Part 2